24.09.2024
Ein vielfältiges Schulangebot
Die Schule, die unsere Kinder besuchten, war nicht nur ein Ort des Lernens, sondern ein Ort, der Vielfalt lebt. Mit etwa 350 Schülern, darunter 25 internationale Kinder, haben sie viel Erfahrung im Umgang mit Kindern aus verschiedenen Kulturen. Diese Vielfalt war ein wichtiger Grund, warum wir uns für diese Schule entschieden haben. Eine spezielle Akkreditierung ermöglicht es der Schule, Schüler aus anderen Ländern aufzunehmen, und es gibt spezielle Lehrer, sogenannte „Second Language Teachers“, die internationalen Schülern beim Englisch lernen helfen.
Ein völlig anderer Schulstart
Der erste große Unterschied zeigte sich schon beim Schulstart: In Neuseeland gibt es keinen klassischen Einschulungstag. Sobald die Kinder fünf Jahre alt sind, dürfen sie einfach mit der Schule beginnen – ohne große Feier, ohne Zeremonie. Doch für unsere jüngere Tochter war der Schulanfang trotzdem ein besonderer Tag, und so konnten wir auf unsere deutsche Tradition nicht ganz verzichten. Nach vorheriger Absprache mit ihrer Lehrerin marschierte sie dann trotzdem sehr stolz mit ihrer Schultüte in die Schule. Diese Tradition kennen die Neuseeländer tatsächlich nicht. Die Lehrerin unserer Tochter machte daraus ein kleines Ereignis, bei dem unsere Tochter der Klasse die Schultüte und die deutsche Tradition erklären durfte. Jedes Kind in ihrer Klasse bekam dann von ihr eine Mini-Schultüte, und später schickten wir auf Wunsch der Lehrerin sogar noch Fotos, damit alle sehen konnten, was in der großen Tüte steckte. Es war ein wunderbarer Moment, der uns zeigte, wie offen und neugierig die Menschen dort auf Neues sind.
Keine Noten, kein Druck – Individualität statt Vergleich
Ein Aspekt, der uns sofort auffiel: In Neuseeland gibt es in der Grunschule keine Noten. Kein ständiges Vergleichen, kein Druck. Stattdessen werden die Kinder in ihrer Individualität gefördert. Jedes Kind wird dort so angenommen, wie es ist, und es wird darauf geachtet, was es gut kann, nicht auf das, was noch fehlt. Fehler werden nicht mit dem Rotstift hervorgehoben, sondern die Stärken der Kinder werden betont. Besonders toll fand ich, dass die Schüler meist eigene Texte schreiben dürfen – über Themen, die sie selbst interessieren. Dieses Prinzip der positiven Bestärkung war eine völlig neue und sehr erfrischende Erfahrung für uns.
Am Anfang fragte ich mich immer wieder, ob die Kinder in diesem lockeren System wirklich etwas lernen. Wir sind aus Deutschland einen anderen Schulalltag gewohnt, in dem Leistung und Kontrolle im Vordergrund stehen. Doch meine Zweifel lösten sich schnell auf: Die Kinder lernen – und zwar in ihrem eigenen Tempo und auf eine spielerische Weise, die sie motiviert und stärkt. Es war faszinierend zu beobachten, wie selbstständig und eigenverantwortlich sie mit der Zeit wurden.
Kein Frontalunterricht – Lernen durch Zusammenarbeit
Ein weiterer Unterschied war die Art des Unterrichts. Frontalunterricht, wie wir ihn aus Deutschland kennen, gibt es in Neuseeland kaum. Stattdessen teilen sich immer zwei Klassen einen Raum, beispielsweise die dritte und vierte Klasse. Die Kinder arbeiten viel in Gruppen und unterstützen sich gegenseitig. Der Unterricht ist flexibel und auf den jeweiligen Leistungsstand der Kinder abgestimmt. Es gibt kein Sitzenbleiben, denn jeder wird dort abgeholt, wo er gerade steht.
Diese entspannte Lernatmosphäre tat unseren Töchtern unglaublich gut. Sie konnten sich in einem Umfeld entfalten, in dem Teamarbeit und gegenseitige Unterstützung an erster Stelle standen. Die Lehrer standen jederzeit für Fragen zur Verfügung, und es war nie ein Problem, spontan in die Schule zu gehen, um etwas zu besprechen.
Kleiner, familiärer Klassenverbund
In Neuseeland sind die Schulen oft weniger formell gestaltet und die Klassen oft kleiner als in vielen anderen Ländern, was eine viel persönlichere Betreuung ermöglicht. Lehrer können besser auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen, da sie weniger Kinder in einer Gruppe haben. Das bedeutet nicht nur, dass der Unterricht effektiver gestaltet werden kann, sondern auch, dass die Schüler sich wirklich gesehen und wertgeschätzt fühlen. In einem kleinen Klassenverbund entstehen enge Beziehungen zwischen den Kindern und Lehrern, was das Gemeinschaftsgefühl unglaublich stärkt. Hier wird dein Kind als Individuum wahrgenommen.
Was uns besonders gut gefallen hat, war, dass die Lehrer oft zu zweit im Klassenzimmer waren. So konnten sie noch individueller auf die Kinder eingehen und hatten immer genug Zeit, sich um jeden zu kümmern. Die Hauptlehrerin hatte auch einen festen Tag in der Woche, an dem sie ihren Bürokram erledigen oder den Unterricht vorbereiten konnte, während die Co-Lehrkraft den Unterricht weiterführte. Das hat dafür gesorgt, dass immer alles gut vorbereitet war und nichts zu kurz kam. Besonders toll fand ich auch, wie engagiert die Lehrer waren: Nach der Schule haben sie oft noch das Gespräch mit den Eltern gesucht, um uns über die Fortschritte der Kinder zu informieren. Das hat uns wirklich ein gutes Gefühl gegeben, weil wir wussten, dass unsere Kinder in guten Händen sind.
Fokus auf soziale Fähigkeiten
Neben dem akademischen Lernen legt das neuseeländische Schulsystem großen Wert darauf, den Kindern soziale Kompetenzen zu vermitteln. Teamarbeit, respektvoller Umgang und Konfliktbewältigung sind feste Bestandteile des Schulalltags. Die Kinder lernen, miteinander zu arbeiten, gemeinsam Lösungen zu finden und unterschiedliche Meinungen zu respektieren.
Besonders beeindruckend fand ich, wie spielerisch die Kinder diese wichtigen Fähigkeiten entwickeln. Egal, ob es um Gruppenprojekte oder Sport geht – die Schüler arbeiten ständig zusammen und lernen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Konflikte werden nicht einfach ignoriert, sondern aktiv angegangen. Die Lehrer unterstützen die Kinder dabei, Streitigkeiten selbstständig und respektvoll zu lösen. So werden die Kinder nicht nur auf das Leben in der Schule, sondern auch auf ihre Zukunft im sozialen Miteinander vorbereitet.
Es hat mich besonders gefreut zu sehen, wie schnell unsere beiden Mädchen Freundschaften geschlossen haben und wie gut sie sich in die Klassengemeinschaft eingefunden haben. Dieser Fokus auf soziale Fähigkeiten hat ihnen enorm geholfen, sich sicher und wohl zu fühlen – gerade in einem neuen Land.
Sport, Natur und außergewöhnliche Schulfächer
Besonders die Outdoor-Aktivitäten haben unsere Kinder begeistert. In Neuseeland verbringen die Schüler viel Zeit draußen – sei es im Schulsport oder bei besonderen Projekten. Es gibt spannende Fächer, von Tennis und Basketball bis hin zum Segeln! Ja, du hast richtig gelesen: Segeln steht tatsächlich auf dem Stundenplan. Die Kinder dürfen sich ausprobieren, und unsere beiden Mädchen haben das in vollen Zügen genossen.
Ein echtes Highlight für unsere ältere Tochter (8) war das Übernachtungscamp, das kurz nach unserer Ankunft stattfand. Obwohl sie noch kein Englisch sprach, hat sie sich getraut, mitzufahren. Die Kinder sind Kajak gefahren, haben Stockbrot am Lagerfeuer gegrillt, durften kleine Lämmchen streicheln und die Natur hautnah erleben. Am nächsten Tag kam sie unglaublich müde, aber überglücklich nach Hause – eine Erfahrung, die sie in ihrem Leben nie mehr vergessen wird.
Was uns besonders begeistert hat, war die enge Verbindung zur Natur, die in den Schulen in Neuseeland gefördert wird. Die Kinder sind ständig draußen, egal ob im Unterricht oder bei außerschulischen Aktivitäten. Sie lernen durch direkte Erlebnisse und entdecken dabei die Natur aus nächster Nähe. Dabei wird auch ein starkes Umweltbewusstsein entwickelt – die Verbindung zur Umwelt ist fest in den Schulalltag integriert, ob durch Wanderungen, Projekttage oder längere Outdoor-Ausflüge.
Diese Möglichkeit, nicht nur im Klassenraum, sondern draußen in der Natur zu lernen, hat unseren Kindern unglaublich viel Spaß gemacht und ihnen Erfahrungen beschert, die sie noch lange in Erinnerung behalten werden.
Lehrer als Partner – immer ein offenes Ohr
Etwas, das wir so aus Deutschland nicht kennen, war die Zugänglichkeit der Lehrer. In Neuseeland konnten wir die Schule jederzeit betreten, und die Lehrer waren immer ansprechbar. Tür-und-Angel-Gespräche waren hier ganz normal, und wir konnten schnell und unkompliziert Dinge klären. Diese Nähe und Offenheit haben uns sehr gut gefallen und waren ein großer Vorteil im Vergleich zu den oft formellen Strukturen, die wir aus Deutschland kennen.
Der tägliche Sprung in den Pool
Was unsere Kinder ganz besonders liebten, war der schuleigene Outdoor-Pool. Fast täglich sind sie während der Schulzeit in den Pool gesprungen, um sich abzukühlen. Einige Lehrer haben daraus Schwimmunterricht gemacht, andere ließen die Kinder einfach planschen und Spaß haben. Das Beste: Man darf sich den Schlüssel für den Pool auch außerhalb der Schulzeiten ausleihen und ihn privat nutzen.
Mit dem Fahrrad zur Schule – ein besonderes Erlebnis
Einer der schönsten Teile unseres Alltags war der Schulweg. Jeden Morgen schwangen wir uns auf unsere Fahrräder und fuhren gemeinsam los – eine Strecke von etwa 30 Minuten. Die vielen wunderschönen Vögel, die wir unterwegs beobachteten, machten den Start in den Tag wirklich besonders, vor allem für unsere Kinder. Jeden Morgen sagten wir den Pukeko Familien am Wegesrand „Guten Morgen“. Und dann waren da noch Tiggle und Giggle, zwei Ziegen, die uns immer neugierig anschauten, wenn wir vorbeifuhren. Unsere Kinder liebten diese Routine – und durch das tägliche Radfahren wurden sie immer fitter. Es war nicht einfach nur ein Schulweg, es war ein Highlight unseres Tages.
Späterer Schulbeginn – eine Stunde macht den Unterschied
Ein echter Segen waren auch die Schulzeiten. Der Unterricht startete erst um 9 Uhr und endete um 15 Uhr. Diese eine Stunde später am Morgen hat einen riesigen Unterschied gemacht. Unsere Kinder waren morgens viel ausgeruhter und entspannt. Sie sind fröhlich und mit viel mehr Freude in den Tag gestartet – eine Veränderung, die wir in Deutschland so nicht kannten. Wenn man die Kinder früher zur Schule bringen muss, gibt es Betreuungsangebote.
Individualität und Freiheit – Kinder dürfen einfach sie selbst sein
Ein Punkt, der uns besonders beeindruckt hat, war, wie sehr die Kinder in ihrer Individualität gefördert werden. Wenn ein Kind unruhig ist und nicht still sitzen kann, darf es einfach kurz nach draußen gehen und sich die Beine vertreten. Es gibt kein Schimpfen, keine Strafen. Die Kinder werden so angenommen, wie sie sind. Und das Faszinierende: Es klappt. Kein anderes Kind läuft einfach hinterher, jeder versteht, dass es okay ist, wenn jemand mal eine Pause braucht. Diese Akzeptanz und Freiheit waren für unsere Mädels eine ganz neue Erfahrung.
Schulalltag
Das Schuljahr in Neuseeland ist in vier „Terms“ unterteilt, zwischen denen es immer zwei Wochen Ferien gibt oder die langen Sommerferien gibt.
Was uns auch aufgefallen war, wie selbstverständlich schon in der Grundschule technische Geräte verwendet wurden.
Besonders beeindruckend fanden wir die regelmäßigen Einblicke in den Schulalltag unserer Kinder. Die Lehrer machten viele Fotos, die wir regelmäßig zugeschickt bekamen. Am Abend des ersten Schultages erhielten wir sogar eine E-Mail mit Fotos aus dem Klassenzimmer, was uns eine schöne Vorstellung davon gab, wie es unseren Kindern ging.
Die Kinder erhielten regelmäßig Zertifikate für besondere Leistungen oder Verhaltensweisen, was ihr Selbstbewusstsein stärkte. Auch die „School Patrol“, bei der Lehrer und Schüler am Zebrastreifen standen, um die jüngeren Kinder sicher über die Straße zu begleiten, war ein tolles Engagement.
Ein besonderes Projekt: Die Sonnenblume
Ein wunderschönes Beispiel für die kreative und unterstützende Lernatmosphäre war das Sonnenblumen-Projekt. Die Kinder säten ihre eigenen Sonnenblumen, gestalteten Töpfe und beobachteten das Wachstum ihrer Pflanzen. Unsere Tochter war so stolz auf ihre Sonnenblume, dass wir sie sogar im Camper mit auf Reisen nehmen mussten. Die Lehrerin ermutigte die Kinder, ihre Blumen in den Ferien zu pflegen und Fotos zu schicken, was uns eine besonders persönliche Verbindung zur Schule bzw. zur Lehrerin ermöglichte.
Herausforderungen und improvisieren
Natürlich gab es auch Herausforderungen. Unsere Kinder mussten oft improvisieren und auch mal Frust aushalten wenn sie etwas nicht verstanden. Besonders bei Aktivitäten, die auf Englisch durchgeführt wurden, mussten sie sich durch Beobachten und Ausprobieren zurechtfinden.
Fazit: Ein Schulsystem, das uns verändert hat
Insgesamt hat uns die Zeit in der neuseeländischen Schule tief beeindruckt. Die entspannte und individuelle Förderung, die Wertschätzung von Vielfalt und die positive Lernatmosphäre haben unsere Kinder und uns begeistert. Wir verstehen jetzt, warum das neuseeländische Schulsystem zu den besten der Welt gehört. Unsere Kinder wollten gar nicht mehr nach Hause – und wir können das nur zu gut nachvollziehen.
Wenn du dir für dein Kind eine unbeschwerte Schulzeit wünschst, in der es spielerisch und ohne Druck lernen kann, dann wirst du die neuseeländische Grundschule lieben.